Für Matthias Unger hat die Jahreszeit, in der sich das Laub der Wälder bereits von einem satten Gelb in ein leuchtendes Rot verwandelt, einen ganz besonderen Reiz. Er nutzt die letzten Sonnenstrahlen, schnappt sich diesen erstaunlich schlichten Zündschlüssel mit dem M Logo auf dem Anhänger und macht sich auf zu seiner Garage. Denn hier wartet ein ganz besonderes Automobil. Matthias Ungers BMW M3 Sport Evolution aus dem Jahre 1990 ist für ihn bis zum heutigen Tag ein unersetzliches Stück Motorsportgeschichte mit Straßenzulassung. Wir haben ihn bei einer Ausfahrt begleitet und durften erleben, was es heißt, einen fast drei Jahrzehnte alten Sportwagen artgerecht zu bewegen.
Mit dem BMW 323i meines Vaters aus dem Jahre 1984 fing die Begeisterung an. 1988 die Leidenschaft – da wurde ich 18 und durfte selbst ans Steuer.
DAS MODELL SEINES LEBENS.
Der Unternehmer, Rennfahrer und Rennstallbesitzer, der aktuell mit seinem Team Adrenalin Motorsport den Meistertitel als auch die Vizemeisterschaft in der VLN Langstreckenmeisterschaft innehat, ist bekennender M Enthusiast. Und das nicht erst seit gestern. Matthias Unger ist ein klassischer Fall von „Frühinfizierung“: Bereits 1984 erkannte er im BMW 323i seines Vaters die Besonderheit des Mittelklassemodells, das die Marke BMW und auch BMW M in den darauffolgenden Jahren prägen sollte: das markante Design mit der sogenannten „sharknose“, die athletischen Proportionen, das geringe Gewicht, der Heckantrieb. Dass der E30 und insbesondere der M3 Sport Evolution für Unger mehr ist, als ein lieb gewonnenes Sammlerfahrzeug, wird mit jedem Satz, den er spricht, deutlicher.

Mitte der Neunzigerjahre saß ich zum ersten Mal am Steuer des M3 Sport Evolution. Ich habe sofort gemerkt, dass er das i-Tüpfelchen in dieser ganzen E30-Serie ist.
GLANZSCHWARZE SELTENHEIT.
GLANZSCHWARZE SELTENHEIT.
Schon im schalen Morgenlicht, das durch die Plexiglasfenster des Rolltors dringt, wird klar, dass sich in diesem Raum alles um BMW und Motorsport dreht – Reifenstapel hier, Ersatzteile dort, ein weißer E30 für die Rennstrecke ruht auf einer Hebebühne. Sofort wähnt man sich eher in einer Boxengasse, als in Ungers heimischer Garage. Wir gehen ein Stück weiter und erkennen bereits am ikonischen Design das Fahrzeug, das für viele Sammler und Autofans so etwas wie den „Heiligen Gral“ in der Historie von BMW M darstellt: Glanzschwarz der Lack, rot die Kontraststreifen, 16 Zoll die Speichenfelgen. Unger weiß, welchen Schatz er mit dem BMW M3 Sport Evolution behütet. Schon zum Marktstart vor fast 30 Jahren nahm das Topmodell der Baureihe einen ganz besonderen Platz ein. Der Sportwagen war nicht nur die „Endstufe“ des ersten BMW M3. Mit mehr Hubraum, einem noch strafferen Fahrwerk und vielen Leichtbaukomponenten drang der Sport Evolution in fahrdynamische Bereiche vor, die Anfang der 90er Jahre in dieser Klasse praktisch unbekannt waren.
INNOVATIONEN AUS DEM RENNSPORT.
Um einmal kurz die Zahlen zu nennen: Aus 2,5 Litern Hubraum holt der freisaugende Vierzylindermotor mit der Bezeichnung S14 beachtliche 238 PS – das reicht auch heute noch für einen Beschleunigungswert von rund 6,5 Sekunden und eine Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h. Möglich macht es unter anderem das geringe Fahrzeuggewicht von etwa 1.200 Kilogramm – Spezialglas für Heck- und Seitenscheiben trägt etwa dazu bei. An der Vorderachse liegt der Sport Evolution nochmals zehn Millimeter tiefer als der normale BMW M3, auch die Bremsanlage ist gegenüber der im Serienmodell modifiziert.

Besondere Erwähnung verdient außerdem die ausgeklügelte Aerodynamik der Karosserie: Zum einen sorgen die in drei Stufen verstellbaren Front- und Heckspoiler für mehr Anpressdruck und höhere Kurvengeschwindigkeiten. Die damals neuartigen, V-förmigen Profile unter dem Fahrzeug, die durch den sogenannten Venturi-Effekt dazu führen, dass das Fahrzeug geradezu an die Fahrbahn „gesaugt“ wird, sind ebenfalls nur dem Sport Evolution vorbehalten. Verwunderlich sind diese Innovationen nicht, wurde das Fahrzeug doch direkt vom damaligen DTM Rennwagen abgeleitet. Und der war bekanntermaßen das erfolgreichste Modell, das in der Rennserie jemals zum Einsatz kam.

Der Motor mit seiner Drehfreudigkeit ist absolut der Wahnsinn. Ab fünfeinhalbtausend Umdrehungen zündet der regelrecht ein Feuerwerk.
FASZINIEREND AUTHENTISCH.
Der wahre Geist des Sport Evolution zeigt sich natürlich nicht beim Blick auf das Datenblatt, sondern auf dem Sitz hinterm Steuer. Wer den Sport Evolution einmal bewegt hat, den wird das faszinierende Fahrgefühl so schnell nicht mehr loslassen – da ist sich auch Matthias Unger sicher und nimmt nur zu gerne in den belederten Rennschalen mit den eingenähten M Streifen Platz. Nach einem metallischen Klicken der roten Sicherheitsgurte erweckt er das Triebwerk mit einer Schlüsselumdrehung zum Leben. Bereits im Leerlauf stellt der großvolumige Vierzylinder seinen markigen Sound unter Beweis, giert förmlich nach dem ersten Gasstoß. Drehzahl ist im Sport Evolution ohnehin Trumpf: Erst ab 7.000 Umdrehungen entwickelt der längseingebaute Motor sein volles Leistungspotenzial, dreht weiter bis maximal 7.500 Touren.


Was ich an Fahrzeugen wie dem M3 Sport Evolution mag? Voller Vorfreude zur Rennstrecke fahren, dort richtig Gas geben, und anschließend wieder entspannt nach Hause.


SCHALTEN, WALTEN, ENTSPANNEN.
Ein Nachteil ist das keineswegs, Unger betrachtet den Sport Evolution als das, was er ist: Ein straßenzugelassener Rennwagen, der gerne am Limit bewegt werden darf. Denn während die Beziehung zwischen Arbeit und Entspannung in der heutigen Welt meist eine konträre ist, geht sie am Steuer des M3 Sport Evolution Hand in Hand – und das ist wörtlich gemeint: Matthias Unger schaltet die fünf Gänge des manuellen Getriebes immer wieder mit Genuss durch die exakten Gassen, nutzt den vollen Drehzahlbereich aus und lässt Kurve um Kurve hinter sich. Der M3 Sport Evolution gibt jetzt alles. Die Federwege sind kurz und das Einlenken ist noch eine Spur zackiger als beim ohnehin agilen Serien M3. Genauso schnell, wie wir jetzt über die herbstlichen Landstraßen fliegen, stellt sich die Erkenntnis ein: Man braucht nicht lange, um Matthias Unger zuzustimmen – der fast 30 Jahre alte M3 ist eine Offenbarung in Sachen Fahrdynamik. Der Satz auf der kleinen Plakette hinter dem mit Rauleder bespannten Schalthebel fasst es damit ganz gut zusammen: Sport Evolution 1990.