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DIAMANTSCHLIFF.
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DIAMANTSCHLIFF.

Marcus Syring über die Design-DNA von BMW M. Marcus Syring interpretiert die Ursprünge der Marke und bereichert sie um weitere Facetten. Er ist der Chef des BMW M Designstudios.

20. Juni 2022

Sie sind gleichermaßen energiegeladen und stilvoll. Zu Ikonen des Automobilbaus gereift die Älteren, Highend-Sportwagen mit souveränen Allroundeigenschaften die Neueren. Parallel zur Performance hat sich ein charismatisch geschliffenes Design entwickelt, das einen BMW zu einem M Modell werden lässt. Optische Details mit großer Wirkung. Features, die sich wie Perlen an einer Schnur durch die Jahrzehnte ziehen und zu immer neuen Schmuckstücken werden. Marcus Syring interpretiert die Ursprünge der Marke und bereichert sie um weitere Facetten. Er ist der Chef des BMW M Designstudios und erklärt die Design-DNA der Marke. Ein Artikel aus dem Buch "BMW M Love" zum 50-jährigen Jubiläum der BMW M GmbH.

BMW M3 Competition Limousine [1] :
Kraftstoffverbrauch kombiniert in l/100 km   9,9
CO2-Emissionen kombiniert in g/km   224
CO2-Klasse   G

DREI M3, EINE DNA: E30, E46 UND G80.

Marcus Syring, Chef des BMW M Designstudios

DREI M3, EINE DNA: E30, E46 UND G80.

Der Mann weiß alles über die Seele dieser Marke – ihre Geschichte, ihre Position in der Gegenwart und ihren Platz im Übermorgen. Marcus Syring kreiert mit seinem Team höchst dynamische Automobile. Seit mehr als 30 Jahren ist er an Bord der BMW Group – inklusive leitender Designfunktionen bei MINI und Rolls-Royce. Kreativer Kopf auf der einen Seite, analytischer Konstrukteur auf der anderen. Wie ein Zeitreisender aus der Zukunft des Designs. Der Mann gehört zu denen, die aus dem Wesenskern von BMW das Morgen der Marke formen und BMW M zu deren purster Essenz verdichten. "BMW hoch zwei", so Marcus Syring. Wie aus dieser abstrakten Potenz seit drei Jahrzehnten und auch künftig Antrieb und Seele von BMW M werden, verdeutlich er am Beispiel des M3 verschiedener Epochen.

Das Tor einer Halle auf dem BMW M Gelände in München-Garching öffnet sich und ein aktueller M3 Competition (G80, seit 2021) rollt mit dem dumpfen Klang seines 510-PS-Sechszylinders hinein. Bereits in Position gebracht sind zwei seiner Vorgänger: der zeitlose M3 der Serie E46 (2000 bis 2006) und die Ikone, der erste M3 der Serie E30 (1986 bis 1991).

Bevor Marcus Syring an diesen 3ern den Kristallisierungsprozess eines M Modells erläutert, blickt er kurz in eine Zeit, in der es BMW M respektive die BMW Motorsport GmbH noch gar nicht gab. In die Zeit, in der BMW überhaupt erst entstand. Das ist wichtig, um zu verstehen, wie das heute so typische Design der Marke in die Welt kam, auf dessen Basis die Diamanten von BMW M geschliffen werden. 

VOM FLUGMOTOREN- ZUM AUTOMOBILHERSTELLER.

Marcus Syring: "1916 haben wir mit Flugmotoren angefangen. Erst später kamen die Motorräder und dann das erste Auto hinzu. Das war ein Lizenzbau des britischen Austin Seven." Exkurs I: BMW hatte 1928 die Fahrzeugfabrik Eisenach übernommen, die den Austin Seven als Dixi anbot. 1929 wurde aus diesem Kleinwagen der BMW 3/15. Der war im Ursprung also nicht nur ein Austin, sondern auch ein Urmeter des späteren Mini, der 1959 zuerst als Austin Seven und Morris Minor Mini auf den Markt kam. 2000 kaufte BMW den Automobilhersteller MINI und damit einen Teil seiner eigenen Geschichte. Chapeau! Ende Exkurs I. Die Zeit der Anfänge – von den Flugmotoren bis zum 3/15 – ist für Marcus Syring die erste BMW Phase. Sie hat freilich noch keinen Impact auf das Design der heutigen Modelle. Doch immerhin ist schon seitdem der in Weiß und Blau stilisierte Flugzeugpropeller im Markenlogo untrennbar mit den Bayerischen Motoren Werken verbunden.

BMW 328 Roadster auf der Mille Miglia

DIE BMW NIERE AVANCIERT ZUM ERKENNUNGSMERKMAL.

"Dann folgten die fantastischen Autos der 30er und 40er-Jahre, der 328 und die Mille Miglia. Das ist in meiner Wahrnehmung die zweite Phase", so Syring. In diesem Zeitfenster zeigten die ersten Modelle die legendäre BMW Niere. Exkurs II: 1940 hatten die Rennfahrer Walter Bäumer und Fritz Huschke von Hanstein mit dem BMW 328 Touring-Coupé in Italien die legendäre Mille Miglia gewonnen. Der 328 – die Serienversion war als Roadster einer der Traumwagen jener Zeit – verankerte die in den 30er-Jahren realisierte BMW Niere endgültig als wichtigstes Designmerkmal der Marke im kollektiven Gedächtnis der Generationen. Und so fand BMW mit diesem Sportwagen seine visuelle Identität und den wohl wichtigsten Baustein seiner DNA. In jedem BMW der Neuzeit, bis hin zum Concept XM, spiegelt sich deshalb noch immer die Aura eines 328 wider. Ende Exkurs II.

LEGENDÄRE MODELLE DER NACHKRIEGSZEIT.

BMW Isetta Standardversion mit Rolldach

LEGENDÄRE MODELLE DER NACHKRIEGSZEIT.

Marcus Syring: "Es kam die Nachkriegszeit, und damit begann die dritte BMW Phase. Das Unternehmen hatte wieder angefangen, Automobile zu bauen. Das Spektrum war extrem gespreizt: Die Bookends reichten von der kugelrunden Isetta und dem kleinen BMW 700 auf der einen bis zum hinreißend schönen V8 Barockengel auf der anderen Seite. Doch keines davon war ein massentaugliches Fahrzeug." Exkurs III: BMW schuf in den 50er-Jahren einige der schönsten Modelle aller Zeiten. Unter anderem den legendären BMW 507; Elvis Presley pilotierte einen davon. Doch wie von Marcus Syring umrissen, brachte kein Modell die Stückzahldimensionen, die das Überleben von BMW als eigenständiges Unternehmen gesichert hätten. Ende Exkurs III. 

NEUE KLASSE: ALLEINSTELLUNG DURCH SYMBIOSE AUS SPORTLICHKEIT UND ELEGANZ.

BMW Reiselimousine 1963

Neue Klasse: die sportliche Reiselimousine im Verkaufsprospekt 1963.

Neue Klasse: die sportliche Reiselimousine im Verkaufsprospekt 1963.

NEUE KLASSE: ALLEINSTELLUNG DURCH SYMBIOSE AUS SPORTLICHKEIT UND ELEGANZ.

Die Bayerischen Motoren Werke brauchten einen Neustart. Der erfolgte 1961 in Frankfurt auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) mit der Mittelklasselimousine 1500 – BMW sprach damals von der "neuen Klasse". Marcus Syring: "Mit dieser 'neuen Klasse' hat sich BMW gerettet und neu erfunden. Erstmals gab es nun diese einzigartige Kombination aus Sportlichkeit und Eleganz."

Mit dieser vierten Phase hatte sich BMW völlig neu positioniert. Dadurch änderte sich auch das Wettbewerbsumfeld: Eine ähnliche Dynamik im Bereich der Mittelklasse boten nur Alfa Romeo und Lancia, eine vergleichbare Eleganz gab es allein bei Mercedes-Benz. Doch die Kombination dieser Parameter hatte nur BMW im Bereich der Limousinen im Programm – eine neue Symbiose aus solider deutscher Ingenieurskunst, elegantem Stil und souveräner Sportlichkeit. Ein Alleinstellungsmerkmal; auch im Design. Syring: "Die 'neue Klasse' hat das perfekt kombiniert. Der erfolgreiche Geschäftsmann brauchte für seine Termine eine Limousine, die elegant war. Gleichzeitig wollte dieser sportliche Gentleman aber nicht auf eine faszinierende Performance verzichten. So wurde die sportliche Limousine zum Erfolgsrezept von BMW. Und dieses Prinzip haben wir über Jahrzehnte kultiviert."

Exkurs IV: Mit der "neuen Klasse" und dem ebenfalls auf der IAA 1961 vorgestellten BMW 3200 CS debütierte auch der "Hofmeisterknick" – jener nach dem damaligen BMW Chefdesigner Wilhelm Hofmeister benannte Gegenschwung der Fenstergrafik in der C-Säule, der bis heute die Silhouette nahezu aller BMW prägt. Ende Exkurs IV.

2002 TURBO: ERSTER VORGESCHMACK AUF DEN M3.

Die "neue Klasse" war ihrer Zeit weit voraus, da BMW seine Modelle nun auf einer gemeinsamen technischen Plattform in verschiedenen Segmenten anbieten konnte – im Fachjargon Skalierung genannt. Wichtig: Auch bei dieser Erweiterung des Spektrums blieb BMW stets dem 1961 vorgestellten Prinzip treu, Dynamik stilvoll zu verpacken. Mit dem Debüt des kompakten BMW 02er (E20, ab 1966) wurden die Stückzahlen größer und das Design der Marke immer charismatischer. Es folgten der Stapellauf des ersten BMW 5er (E12, ab 1972) und konsequenterweise die Geburt der BMW Motorsport GmbH (1972).

Exkurs V: Eines der extrovertiertesten Autos dieser Zeit war der 1973 eingeführte BMW 2002 Turbo mit seinen markanten Spoilern und Verbreiterungen; den Antrieb und die Aerodynamik hatte BMW aus dem Motorsport abgeleitet – ein erster Vorgeschmack auf den späteren M3. 1975 debütierte der erste BMW 3er (E21). Ende Exkurs V.

M3 E30: TRANSFERIERT DEN RENNSPORT IN DIE SERIE.

Spätestens mit der zweiten Generation des 3er (E30, ab 1982) hatte die BMW Motorsport GmbH die anspruchsvolle Aufgabe, Technologie und Design sowohl für den Rennsport als auch für die Serie zu vereinen. Und so entstand als Schnittstelle zwischen diesen zwei Welten 1986 der erste BMW M3. Der Einfluss dieser Ikone auf die Welt des BMW M Designs war immens. Marcus Syring: "Wie etwa der 3.0 CSL, hat auch der erste M3 einen enorm hohen Stellenwert. In diesem Fall wurde der zweitürige 3er hergenommen, weil man mit ihm Rennen fahren wollte. Also ein sehr kompaktes Fahrzeug mit sehr sportlichen Genen."

Der Designer skizziert, wie konsequent bei diesem Auto die Form der Funktion folgte – ein Grundsatz, der bis heute für die BMW M Modelle gilt: "Man wollte natürlich ein bisschen mehr Platz in den Radkästen schaffen – für performante Reifen- und Räder-Kombinationen. Und deshalb sind dann die Radhäuser ausgestellt worden. Das geschah nicht aus stilistischen Gründen, sondern weil es einfach notwendig war." Die herausgezogenen Kotflügel respektive Radläufe gehören seit dem ersten M3 genauso zur M DNA wie die größeren Lüftungsöffnungen in der Frontpartie.

BMW M3 E30 Flügel
Auch hier wurde im Fall des E30 genau hingeschaut: Wo ist das Staufeld? Wie viel Luft braucht man da? Wir sehen zum Beispiel, dass die Frontpartie nach außen geöffnet worden ist, um so die Bremsluftschächte anzupassen.
Marcus Syring, Chef des BMW M Designstudios

Der Designer blickt auf die Heckpartie des Zweitürers: "Beim M3 E30 standen besonders die Abtriebswerte im Fokus. So ein klassisches Stufenheckauto brauchte einen relativ großen Flügel und dann noch ein 'Gurney Flap' hintendrauf." Mit diesem aus dem Motorsport abgeleiteten, breiten Heckflügel samt Abrisskante, benannt nach ihrem Erfinder, dem Rennfahrer Dan Gurney, und den ausgestellten Kotflügeln mussten zwangsläufig auch die Stoßfänger neu designt werden.

„Dementsprechend: Wenn ich jetzt breitere Seitenwände habe, dann passen natürlich auch die Original-Front- und -Heckschürzen nicht mehr. Und so wurden auch sie angepasst. Die BMW Motorsport GmbH hat damals im Grunde genommen alles gemacht, was man zum Rennwagenfahren in der DTM brauchte. Und das ist auch das Authentische daran; form follows function." Fakt ist: Seit dem ersten M3 gehören individuell designte Stoßfänger sowie Heckspoiler (E36: nur M3 GT) oder aerodynamische Abrisskanten unterschiedlichster Ausprägung zu jedem M Modell.

Zum Job der Designer indes gehört es, diese Details und ihre Funktionalität in eine ästhetische und zum Fahrzeug passende Form zu bringen. Marcus Syring: "Es ist funktional, dass wir jetzt hier einen Heckflügel haben. Der macht physikalisch genau das, was ich für den Abtrieb auf der Hinterachse brauche. Aber er hat auch eine eigene Ästhetik. Und die ist schnörkellos. Sie ist sozusagen aus der Funktion, aus dem Rennsport abgeleitet, integriert sich aber sehr gut in die Formsprache des Autos. Und es ist eine Motorsportästhetik. Darüber hinaus hat der Flügel gleichzeitig eine dritte Funktion: die symbolische. Denn in dem Moment, wo ich diesen Heckflügel auf ein Auto draufsetze, symbolisiere ich: Okay, dieser BMW gehört zur Familie der echten Sportwagen."

M3 E46: DER M3 WIRD ATHLETISCH.

Designer schauen mit dem Wissen um die Geschichte eines Modells nach vorn, um Neues zu schaffen. Eindrucksvoll deutlich wird das am dritten M3: der im Jahr 2000 eingeführten Generation E46. "Das ist der M3, den ich selbst designt habe", so Syring. Denn Jahre bevor er 2016 die Leitung des BMW M Designs übernahm und zwischendurch zu MINI und Rolls-Royce wechselte, gehörte der kreative Konstrukteur bereits zum Stammteam in Garching.

Er erinnert sich an die Startphase dieses M3-Projektes: "Der Original-3er, das Coupé, das sah schon extrem sportlich aus. Die ersten paar Tage habe ich deshalb wirklich für den Papierkorb gezeichnet. Weil ich diese Schärfe, die das normale Auto hatte, steigern wollte. Denn M ist BMW hoch zwei! Aber er wäre mit dieser zusätzlichen Schärfe zu überzeichnet gewesen. Das war mir too much – das sah dann schon aus wie ein DTM-Rennwagen. Es war zu scharf."

Und so justierte Syring seinen Blick auf die dritte Generation des M3 neu: "Dann bin ich auf die Idee gekommen, dass ich die Kraft auch anders ausdrücken kann. Das muss nicht aussehen wie bei einem Formel- 1-Rennwagen, wo ich dünn und scharfkantig bin. Viel Kraft kann ich auch über Muskeln ausdrücken, also über organische Formen. Athletisch-muskulös. Und da wusste ich: Okay, das kann funktionieren." Der Designer weiter: "Was wir brauchten, war dann wieder die breitere Spur, und damit neue Seitenwände. Und ich dachte mir: Es gibt einen schönen Kontrast, wenn man dieses präzise, scharfkantige Design mit muskulären Flächen kombiniert." Und so wurde auch die kraftvoll gespannte athletische Silhouette Teil der M Design-DNA.

Syring geht weiter in die Details des M3 E46: "Lange gingen wir davon aus, dass wir unbedingt eine Entlüftung im vorderen Bereich der Seitenwand brauchen. Später haben wir das dann aber zugemacht." Doch das für die Entlüftung vorgesehene Chromgitter zwischen der A-Säule und dem vorderen Radlauf blieb: "Da geht weder Luft rein noch raus, aber wir setzen mit den Kiemen ein ästhetisches Highlight. Und ich signalisiere mit dieser Formgebung: Ich gehöre zur Familie der großen, leistungsstarken Coupés. Wenn man sich die Seitenkiemen von einem 3.0 CSL anschaut – der hat ein ähnliches Thema." Fest steht: Auch die seitlichen Kiemen wurden aus der Funktion geboren, dann aber zu einem stilistischen Detail. Das allerdings war so präsent, dass auch dieses Feature in die M Design-DNA überging.

Kiemen im Vergleich: BMW E 30 und BMW G 80

Durchzug: Die erstmals mit dem M3 E46 (unten) eingesetzten Kiemen prägen das Design der Baureihe bis heute, wie der G80 (oben) zeigt.

Mit dem M3 E46 wurde ein weiteres Designfeature zum Markenzeichen der starken M Modelle: die Hutze auf der Motorhaube. Marcus Syring: "Da ist dieser potente Sechszylindermotor drunter. Und der zeigt mir natürlich: Hier ist etwas anders, da benötige ich Platz, da befindet sich eine gewisse Kraft. Deshalb brauchen wir diesen muskulären Powerdome." Auch er verschmilzt fortan mit der M DNA.

Deutlich dezenter als beim M30 wurde indes der Heckspoiler. Syring: "Wir brauchten jetzt nicht mehr diesen großen Flügel wie beim E30. Da reichte hinten eine Spoiler-Lippe für den nötigen Abtrieb aus. Und beim M3 E46 haben wir zudem zum ersten Mal diese zweifache Doppelendrohr-Geometrie gezeigt. Die stehen relativ eng beieinander. Das hatte technische Gründe; doch diese Anordnung der Doppelendrohre ist dann auch zu einem Markenzeichen von BMW M geworden."

DUAL AUSGEFÜHRTE DESIGNELEMENTE SIND TYPISCH FÜR BMW M.

DUAL AUSGEFÜHRTE DESIGNELEMENTE SIND TYPISCH FÜR BMW M.

Die duale Ausführung bestimmter Designelemente ist ebenfalls ein klarer Bestandteil der M DNA. Dazu gehören jedoch nicht nur Bauteile wie die Doppelendrohre der Abgasanlagen oder die zwei Stege der Außenspiegelfüße (seit dem E36), sondern zahlreiche weitere Details.

Marcus Syring springt kurz zurück: "Als ich seinerzeit bei BMW anfing, da war der M3 E36 fast fertig. Es fehlten nur noch die Räder und Außenspiegel. Doch die Räder, die wir entwickelt hatten, gefielen Dr. Reitzle, dem damaliger Vorstand Entwicklung, nicht. Dann saß ich eines Abends in einem Biergarten in München und habe auf dem Bierfilz kurz überlegt: BMW hatte immer BBS-Räder. BBS steht für Kreuzspeiche. Dann Alpina: Die stehen für eine Radialspeiche. Und was machen wir jetzt für M? Da habe ich mir gedacht: Machen wir Doppelspeichen."

Und so kam es, dass M Felgen seitdem Doppelspeichen aufweisen und parallel die duale Ausführung weiterer Designelemente nahtlos in die M DNA überging. Syring: "Heutzutage haben wir ja sogar Doppelstege in der BMW Niere. Es freut mich, dass das, was ich mal vor 30 Jahren entwickelt habe, immer noch gültig ist."

Spannend ist hier ein Blick in die Inspirationsquellen des Designers: "Ich schaue mir natürlich gerne Autos an. Ich liebe Autos. Aber das ist nicht meine Inspiration. Denn das wäre dann ja eine Secondhand-Inspiration. Grundsätzlich beschäftige ich mich stark mit Architektur, Produktdesign, Mode, Konsumgütern. Und das wird gespeichert und im richtigen Moment wieder abgerufen."

DESIGN IST IMMER TEAMARBEIT.

Einer dieser richtigen Momente war der Entwicklungsstart des M3 der aktuellen Serie G80. Der Designprozess des neuen M Modells begann kurz vor dem Go für das Design der gesamten Baureihe. Das Ziel: Transfer der M Design-DNA auf die nächste Fahrzeuggeneration. Syring: "Die Designer werden sehr intensiv gebrieft: Welche Teile dürfen verändert werden, welche müssen verändert werden." Dann startet das Team. Die Projektverantwortung für den aktuellen M3 lag bei Juliane Blasi, die unter anderem den zweiten Z4 entworfen hatte. Das finale Exterieur geht auf einen Entwurf der Designerin Anne Forschner zurück.

EIN KÜHLERGRILL SYMBOLISIERT ENTWEDER STATUS ODER SPORTLICHKEIT.

BMW M3 G80 Felge

EIN KÜHLERGRILL SYMBOLISIERT ENTWEDER STATUS ODER SPORTLICHKEIT.

Wieder typisch M: die neuen Schmiederäder mit Doppelspeichen (hier 826 M) und ein leichtes Dach aus Sichtcarbon, wie es ähnlich 2003 erstmals im M3 CSL der Serie E46 eingesetzt worden war. Ebenfalls aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigt ist der markante, in der Mitte geteilte Heckspoiler – die aktuellste Evolutionsstufe des ehemals großen E30-Flügels.

BMW M3 G80 Spoiler

"Wir wollten den natürlich richtig prägnant machen", so Marcus Syring. "Dann aber haben wir festgestellt: Der produziert zu viel Abtrieb. Und wenn ich hinten zu viel Abtrieb produziere, muss ich vorne auch wieder nachjustieren. Dann verschlechtert sich aber die Aerodynamik. Da haben wir gesagt, dass wir den Heckspoiler in der Mitte absenken und den Abtrieb allein über die Seiten so steuern, wie ihn unsere Fahrwerker benötigen. Maßgeschneidert. Das Schöne dabei: Er hat eine eigene Erscheinung und ist etwas Besonderes." Die mittig abgesenkte Höhe des Spoilers korrespondiert zudem mit den zwei Finnen im Carbondach des M3.

DIE BMW NIERE IST IMMER EIN TEIL DES EVOLUTIONSPROZESSES.

Ein großes Thema war der Kühlergrill des aktuellen M3 und M4. Hintergrund: Bei den früheren BMW M Generationen bildete der Grill, die Niere, stets das verbindende, identisch anmutende Element zwischen den Modellen der Großserie und den M Versionen. Seit 2021 ist das anders. Denn seitdem ist die BMW Niere innerhalb einer Baureihe kein statisches Designelement mehr, sondern variabel. Im Fall des M3 (Limousine) und M4 (Coupé) wurde sie von der Niere des 4er abgeleitet.

Syring: "Die Linien und Kanten der M Niere sind deutlich straffer gezeichnet als beim normalen 4er. Der hat zudem einen Nierenrahmen. Den haben wir beim M3 und M4 einfach weggelassen." Das übrigens nicht nur aus optischen Gründen, sondern – form follows function – um die Kühlöffnungen des Antriebs groß zu halten. Fest steht: Der coupéhafte M4 wird mit der M Niere noch sportlicher; der M3 indes erhält durch die neue Sportwagenfront die Anmutung einer High-Performance-Limousine.

BMW M3 G80

DIE M FRONTPARTIE DER NEUZEIT.

Faszinierend ist die Konsequenz, mit der das Designteam alle Register zieht, um die M DNA in jedes nur mögliche Detail zu integrieren. Erneut Marcus Syring: "Der BMW 4er hat ja diesen Grill mit den Nuggets. Wir haben uns indessen überlegt, was wir mit unseren M typischen Doppelstegen machen? Da haben wir dann viel dran rumgezeichnet. Während der Zeit bin ich jeden Tag an einem Schwarz-Weiß-Foto von einem 328 Mille Miglia vorbeigelaufen. Wochenlang. Und irgendwann gehe ich erneut daran vorbei und denke, das ist doch die Lösung. Denn der hatte eine hohe, schmale Niere, da drin aber horizontale kleine Lamellen. Und dann habe ich Anne Forschner eine Skizze gegeben, und sie hat das dann wunderbar umgesetzt."

Und so lebt auch im neuen M3 und M4 die Seele des 328 Mille Miglia weiter. Dann schiebt der ehemalige Rolls-Royce-Designer eine Lektion in Sachen Kühlergrillwirkung hinterher: "Jede Form, die eine Richtung hat, hat auch einen Ausdruck. Das heißt, wenn ich etwas vertikal mache, dann ist das Status, Luxus. Und wenn ich etwas horizontal mache, dann ist es sportlich, Dynamik. Und das ist das Fantastische am M3 E30 – seine Frontpartie zeigt eine luxuriöse, elegante Sportlichkeit."

BMW M3 E30 Nieren

Also eine Mischung aus der Souveränität eines BMW 7er (vertikale Lamellen in der Niere) und der Sportlichkeit eines BMW 328 Mille Miglia (horizontal). Denn der erste M3 hatte neben der BMW Niere mit vertikalen Stegen links und rechts davon horizontal angeordnete Kühlergrillquerspangen. Marcus Syring: "Die pure Vertikalität in der Niere des M3 E30, das ist Status, Prestige. Und diese Breite – das ist flach, sportlich, das drückt es nach außen. Das ist semantisch die perfekte Übersetzung dessen, was BMW zu der Zeit ausgedrückt hat: sportliche Eleganz."

Detail Niere BMW M3 G80

Das Vertikale und Horizontale des ersten M3-Kühlergrills verschmilzt im vertikal ausgerichteten Kühlergrill des aktuellen M3 mit seinen horizontalen Stegen zur M Frontpartie der Neuzeit. Syring: "Die ist vertikal orientiert, aber durch die horizontalen Doppelstege kriegen wir natürlich diese Power da rein. Nicht überstylt und doch radikal. Und es ist unique – da ist ein gewisser Kopierschutz drauf." Das ist der Punkt: BMW M setzt hier erneut einen Kontrapunkt gegen das Uniforme der Masse. Ein Blick auf elektrische Modelle im Stile des künftigen XM zeigt, dass BMW M auch im Zeitalter der Elektromobilität seiner Design-DNA treu bleiben wird.

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